Sehr geehrter Herr Benitz,
sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats,
der Deutsche Bundestag hat am 30. Juni 2011 den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen, seit Januar 2019 liegt auch ein von der „Kohlekommission“ erarbeitetes Konzept über den Ausstieg aus der Kohlennutzung bis zum Jahr 2038 vor. Darauf aufbauend hat das Bundeskabinett am 22. Mai 2019 die Eckpunkte für den Kohleausstieg beschlossen. Mit dem Ausstieg aus der Kohlekraft soll ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der „weitgehenden Treibhausneutralität“ in Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts geleistet werden (Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung).
Um die Energieversorgung bei einem Ausstieg aus der Atomkraft und unmittelbar folgend aus der Kohlekraft zu gewährleisten, hat sich die Bundesregierung bisher schwerpunktmäßig auf die Förderung der Erzeugung regenerativer Energien konzentriert und – auf der Basis des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) – den Zubau mit Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen und Biogasanlagen forciert. So stieg die installierte elektrische Leistung bei Windkraftanlagen (onshore) vom 2000 bis zum Jahr 2018 von 6 auf 53 Gigawatt, bei Photovoltaikanlagen von 0,11 auf 46 Gigawatt und bei Biogasanlagen von 0,08 auf 5 Gigawatt. Ausgewiesene Experten schätzen, dass sowohl die Solarstromleistung als auch die Windstromleistung vervierfacht werden müssten, um den zukünftigen Strombedarf in Deutschland zu decken (Andreas Beett, Hans-Martin Henning, Interview BZ vom 29. Juli 2017). Noch weiter geht eine gemeinsame Studie der Akademien Leopoldina und Acatech sowie der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften (2017), in der dargelegt wird, dass die installierte Leistung der Windkraft und der Photovoltaik zur Erreichung der Klimaziele der Bundesregierung bis 2050 um Faktor 6 ausgebaut werden müsste. Im Vergleich zu heute ca. 30000 Windkraftanlagen entspricht das zum Beispiel einem Ausbauziel von ca. 110 000 bis 170 000 Windkraftanlagen in Deutschland.
Die mit der Energiewende verbundenen Zielkonflikte mit dem Natur- und Landschaftsschutz oder dem Fremdenverkehr sind schon jetzt Gegenstand massiver Auseinandersetzungen, wie gerade das Beispiel Münstertal zeigt. Da die Energiewende nach dem derzeitigen technischen Stand neben einer Verbesserung der Energieeffizienz und Änderungen unseres Lebensstils nur durch die Nutzung regenerativer Energien bewältigt werden kann, sollen nach unserem dafürhalten alle Möglichkeiten genutzt werden, um regenerative Energien verpflichtend dort zu erzeugen, wo es keine oder möglichst geringe Zielkonflikte mit anderen Umweltgütern gibt.
Dies ist ohne jeden Zweifel bei der Installation von Photovoltaikanlagen auf Dächern, Gebäudewänden oder anderweitig versiegelten Flächen wie Parkplätzen der Fall. Um die Nutzung dieser Flächen für Photovoltaikanlagen voranzutreiben, haben verschiedene Kommunen versucht, eine Photovoltaikpflicht einzuführen. Nachdem dies in der Univeritätsstadt Marburg aus rechtlichen Gründen noch gescheitert ist, hat die Stadt Tübingen mit breiter Zustimmung des Gemeinderats im Juli 2018 auf der Basis von Grundstückskaufverträgen und städtebaulichen Verträgen für praktisch alle neuen Bauvorhaben eine Photovoltaikpflicht beschlossen und erfolgreich umgesetzt. Eine ähnliche Initiative gibt es derzeit in der Stadt Konstanz. Die Stadt Waiblingen hat verlautbaren lassen, genauso wie Tübingen schon seit 2008 die Solarpflicht in Grundstückskaufverträgen und in städtebaulichen Verträgen vorzuschreiben. Selbst in Bebauungsplänen seine Solaranlagen festgeschrieben, obwohl das rechtlich noch nicht durchgestritten sei (Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 18. Juli 2018).
In unserer Stadt läuft derzeit das Bebauungsplanverfahren Gaisgraben III zur Ausweisung des auf absehbare Zeit letzten größeren Gewerbefläche. Im Gemeinderat bestand bei der Vorstellung des Bebauungsplanentwurfs weitgehend Einigkeit über die Nutzung des Gewerbegebiets. Als aus Sicht des Umweltschutzes innovativ kann man auf den ersten Blick die Durchsetzung eines Begrünungsgebots für die Dachflächen im Gewerbegebiet ansehen, welches mehrheitlich beschlossen wurde.
Im Lichte der oben gemachten Ausführungen sind wir jedoch der Meinung, dass sich der Stadt Staufen mit der Ausweisung des neuen Gewerbegebiets Gaisgraben III die große Chance bieten würde, regenerativen Strom mit Hilfe von Photovoltaikanlagen in weit größerem Ausmaß als bisher zu erzeugen. Staufen könnte damit dem Ziel, klimaneutrale Stadt zu werden einen großen Schritt näher kommen. Dies insbesondere auch, ohne die damit verbundenen Umweltlasten anderen aufzubürden und auch ohne auf der eigenen Gemarkung zusätzliche Flächen, zum Beispiel für Freiflächenphotovoltaikanlagen, in Anspruch nehmen zu müssen.
Deshalb stellen wir folgenden Antrag und bitten diesen zur Abstimmung zu stellen.
Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen im Gewerbegebiet Gaisgraben III eine Photovoltaikpflicht festzuschreiben. Ebenfalls soll geprüft werden, ob das Ziel der Photovoltaikpflicht auch über Grundstückskaufverträge und städtebauliche Verträge erreicht werden kann.
Wir sind davon überzeugt, dass dies in weiten Kreisen der Bevölkerung auf uneingeschränkte Zustimmung stoßen würde. Aufgrund des großen Bedarfs nach Gewerbeflächen werden sich auch potenzielle Investoren durch eine Photovoltaikpflicht kaum zurückziehen. Wir sehen auch andere Akteure wie zum Beispiel die Bürger-Energie-Südbaden eG (BEGS) als möglichen Partner der Investoren mit dem gemeinsamen Ziel mehr Strom durch Photovoltaik in Staufen zu erzeugen.
Unsere Region ist wie kaum eine andere von wachsender Flächenversiegelung und Zersiedelung betroffen, wodurch auch einer unserer wichtigsten Wirtschaftszweige, der Fremdenverkehr langfristig gefährdet ist. Wir sollten deshalb die technisch schon überprägten Flächen zur Erzeugung regenerativer Energien möglichst optimal nutzen, um damit Freiflächen schonen zu können.
Mit freundlichen Grüßen aus der CDU-Fraktion
Klaus Natterer Pia Riesterer Andreas Müller
Ursula Gramelspacher Gerd Grathwol Michael End
Angelika Hirt